Online-Tagung:
Diskursmorphologie
18./19.03.2021
Interessierte sind herzlich eingeladen. Bitte melden Sie sich bei einem der Organisatoren, um den Zugangslink (Zoom) zur Tagung zu erhalten.
Organisation:
Prof. Dr. Laurent Gautier, Université de Bourgogne laurent.gautier@u-bourgogne.fr, Dr. Sascha Michel, RWTH Aachen s.michel@isk.rwth-aachen.de, Dr. Simon Varga, FTSK Germersheim varga@uni-mainz.de
Tagungskonzept
Die Diskurslinguistik beschäftigt sich traditionell nur am Rande mit morphologischen Aspekten. Spitzmüller/Warnke (2011: 138) beziehen Wortbildung zwar in ihrer „wortorientierten Analyse“ mit ein, sehen aber davon ab, eine „eigenständige morphemorientierte Ebene“ anzunehmen, „weil diese Morpheme im Diskurs bereits als realisierte Wortformen erscheinen“. Die Flexionsmorphologie bleibt indes weitgehend unberücksichtigt.
Allerdings hat auch die Morphologie diskurslinguistische Fragestellungen bislang allenfalls gestreift. Wiewohl etwa die Wortbildungsforschung in den letzten Jahren eine „pragmatische Wende“ erfahren hat und zunehmend Aspekte des Wortbildungsgebrauchs aufgreift (vgl. Elsen/Michel 2007, 2011), bleibt zu konstatieren, dass diese nur selten über die Textebene hinausgehen.
Die Diskursgrammatik wiederum widmet sich seit einiger Zeit der diskursiven Bedeutung und Funktion von phrasen- und satzsyntaktischen sowie morphologischen Einheiten (vgl. Warnke et al. 2014, Müller 2018). Genau hier möchte die Diskursmorphologie – verstanden als Teildisziplin einer Diskursgrammatik – ansetzen, indem sie postuliert, dass eine „morphemorientierte Ebene“ – im Zusammenspiel freilich mit allen anderen diskurslinguistisch relevanten Ebenen – eine neue, zusätzliche Herangehensweise an flexionsmorphologische und wortbildungsbezogene Fragestellungen in Diskursen bedeuten kann. So kommt auch Gredel (2018: 66) bei der Analyse von Itis-Kombinatorik in Wikipedia zu folgendem Ergebnis: „Gezeigt werden konnte, dass Morpheme als Zugriffsobjekt für korpuslinguistisch informierte Diskursanalysen brauchbar sind“.
Wir möchten uns im Rahmen der Tagung einen ersten theoretisch-methodischen Zugang zu einer systematischen Erforschung des Zusammenspiels zwischen Diskurslinguistik einerseits und Morphologie andererseits verschaffen. Folgende Fragestellungen und Themen sollen dabei u.a. im Zentrum stehen:
I. Theoretisch-methodisch:
- Welchen Stellenwert nimmt die morphologische Analyse im Rahmen einer diskurslinguistischen Mehrebenenanalyse (vgl. Spieß 2011) ein?
- Welche theoretischen Ansätze (z.B. Konstruktionsgrammatik (vgl. Ziem 2018), Kognitive Semantik, Soziolinguistik, Textlinguistik, Pragmatik, Medienlinguistik etc.) bieten sich an?
II. Empirisch:
- Wie lassen sich die Daten empirisch, d.h. korpuslinguistisch erheben?
- Welche Ergebnisse liefern morphologische Fallanalysen?
- Welchen Einfluss haben soziopragmatische Variablen (z.B. Äußerungskontext) auf die diskursive Verwendung morphologischer Einheiten?
- Welche Bedeutung kommt bestimmten medialen Rahmenbedingungen zu – beispielsweise bei der diskursiven Bearbeitung/Erstellung von Online-Texten oder der Bildung von diskurskonstituierenden und -strukturierenden Hashtags?
Literatur (Auswahl):
Elsen, Hilke/Michel, Sascha (2007): „Wortbildung im Sprachgebrauch. Desiderate und Perspektiven einer etablierten Forschungsrichtung“, in: Muttersprache 1/2007, 1–16.
Elsen, Hilke/Michel, Sascha (2011) (Hgg.): Wortbildung im Deutschen zwischen Sprachsystem und Sprachgebrauch. Perspektiven – Analysen – Anwendungen. Stuttgart (= PGL 5).
Gredel, Eva (2018): „Itis-Kombinatorik auf den Diskussionsseiten der Wikipedia: Ein Wortbildungsmuster zur diskursiven Normierung in der kollaborativen Wissenskonstruktion“. In: ZfAL 68/2018, 35–72.
Müller, Marcus (2018): Diskursgrammatik. In: Warnke, Ingo H. (Hg.): Handbuch Diskurs. Berlin/Boston: de Gruyter, 75–103. (= Handbücher Sprachwissen)
Spieß, Constanze (2011): Diskurshandlungen. Theorie und Methode linguistischer Diskursanalyse am Beispiel der Bioethikdebatte. Berlin/Boston: de Gruyter. (= Sprache und Wissen 7).
Spitzmüller, Jürgen/Warnke, Ingo H. (2011): Diskurslinguistik. Eine Einführung in Theorien und Methoden der transtextuellen Sprachanalyse. Berlin/Boston: de Gruyter.
Warnke, Ingo H./Wildfeuer, Janina/Schmidt-Brücken, Daniel/Karg, Wolfram (2014): Diskursgrammatik als wissensanalytische Sprachwissenschaft. In Benitt, Nora/Koch, Christopher/Müller, Katharina/Saage, Sven/Schüler, Lisa (Hgg.), Kommunikation – Korpus – Kultur: Ansätze und Konzepte einer kulturwissenschaftlichen Linguistik. Trier: WVT, 67–85 (= Giessen Contributions to the Study of Culture 11).
Ziem, Alexander (2018): Diskurslinguistik und (Berkeley) Construction Grammar. In: Warnke, Ingo H. (Hg.): Handbuch Diskurs. Berlin/Boston: de Gruyter, 104–133. (= Handbücher Sprachwissen)
Tagungsprogramm
Interessierte sind herzlich eingeladen. Bitte melden Sie sich bei einem der Organisatoren, um den Zugangslink (Zoom) zur Tagung zu erhalten.
Donnerstag, 18.03.2021
Zeit | Vortrag |
10.00-10.15 | Begrüßung und Einführung Laurent Gautier und Sascha Michel |
10.20-10.45 | Morphologie aus Sicht der Diskursgrammatik Marcus Müller (Darmstadt) |
11.00-11.25 | coroni|-eren|-sieren|-fizieren Zum Verhältnis von Diskursmorphologie und Diskurspragmatik Kersten Sven Roth (Magdeburg) |
11.40-12.05 | Hapaxe, Morpheme und Produktivität im COVID-19-Diskurs Philipp Dreesen/Julia Krasselt und Klaus Rothenhäusler (Winterthur) |
12.15-13.00 | Mittagspause |
13.00-13.25 | Namen und Wortbildung: Eigennamenkomposita in Text und Diskurs Adele Baltuttis und Barbara Schlücker (Leipzig) |
13.40-14.05 | „Merkelt ihr nicht das ihr vergauckelt werdet ???“ – Wortbildung in verschwörungstheoretischen Diskursen Sören Stumpf (Trier) |
14.20-14.45 | Es wächst zusammen, … Inkorporation: eine irreversible Geschichte? Martine Dalmas (Paris) |
Freitag, 19.03.2021
Zeit | Vortrag |
10.00-10.25 | Kontroverse Komposita und Co.: Explorationen im Flüchtlingsdiskurs am Beispiel von Bundestagsreden Sascha Michel (Aachen) und Alexander Ziem (Düsseldorf) |
10.40-11.05 | Geächtetes Suffix: Vom -ling im Flüchtling und der Diskursmacht einer Metamorphologie Marlene Rummel (Dresden) |
11.20-11.45 | Diskursmorphologie und digitale Kommunikation: Plattformspezifische Wortbildungsprodukte in der kollaborativen Textproduktion Eva Gredel (Duisburg-Essen) |
11.55-13.00 | Mittagspause |
13.00-13.25 | #ichbinX/#wirsindX: zur diskursiven Produktivität eines #-Wortbildungsmusters Laurent Gautier (Dijon) |
13.40-14.05 | Grammatische Morpheme als „Stigmamorpheme“: Überlegungen zur diskursiven Bedeutungskonstitution unterhalb der Wortebene Simon Varga (Germersheim) |
14.20-15.00 | Abschlussdiskussion |
15.00 | Ende der Tagung |